von
Als U.G. diese Gespräche in Amsterdam führte, lebte ich in der ‘spirituellen
Kommune’ des Da Free John. Drei Jahre später, 1985, verließ ich diese Gemeinschaft. Ich befand mich, nach 10 Jahren der ‘Übungen’, in einer miserablen Lage, ohne
Geld, ohne Heim, ohne Verbindung zu Familie oder alten Freunden – und mit einer Menge unerledigter Aufgaben, wie z.B. drei Kindern, die ich verlassen hatte, um ‘Erleuchtung
zu finden’.
Obwohl ich auf vielerlei Weise die spirituelle Leere zu füllen suchte, die
nach den Jahren der Gemeinschaft mit Da Free John entstanden war, fühlte ich allmählich, daß all meine Versuche, einen religiösen oder spirituellen Sinn im Leben zu
finden, irgendwie falsch waren – eine Mißachtung der einfachen naturgegebenen Tatsachen. Und doch war mir das Suchen so zu Gewohnheit geworden, daß ich nicht damit
aufhören konnte.
1987 besuchte ich drei Tage lang ein Retreat mit Bernadette Roberts (einer
ehemaligen Karmeliternonne, die einen Zustand erreicht hat, den sie ‘das Nicht-Selbst’ nennt). Als sich das Retreat seinem Ende näherte, gab eine andere alte Freundin (auch
sie eine ‘Geschiedene’ von Da Free John, wie U.G. uns nennt) Bernadette ein Buch mit dem Titel ‘Die Mystique der Erleuchtung’. Es war von U.G. Krishnamurti.
Bernadette gab es meiner Freundin zurück, und ich sagte schnell: „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich es gerne lesen.“
Ich zog mich mit dem Buch in mein Quartier
zurück. Das erste, was mir auffiel, war U.G.s eigenartige Verzichtserklärung zu Beginn des Buches „Dieses Buch hat kein Copyright...“ (das bot mir Grund zu Heiterkeit,
nachdem ich gerade die letzten zehn Jahre mit einem Mann verbracht hatte, der vorgab, ein ewiges Copyright auf jedes Wort, das er von sich gab, zu besitzen).
Während der letzten Stunden des Retreats las ich das Buch von Anfang bis
Ende durch. Ich las etwas, von dem ich instinktiv wußte, daß dies ein direkter und einfacher Ausdruck einer Wahrheit war, nach der ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte.
Und dabei war ich vollkommen außerstande, irgend etwas dafür zu tun. Das nun war der eigentliche Anfang vom Ende, weiterhin nach Erleuchtung zu suchen.
Ich schrieb schließlich dem Verleger in Indien und erkundigte mich nach dem
Aufenthaltsort U.G.s und ob ich ihn treffen könnte. Nach vielen Wochen erhielt ich einen Brief von einem Mann namens Chandrashekar. U.G. befände sich auf Reisen. Ich
könnte mit Julie Thayer Kontakt aufnehmen, die nur ein paar Häuserblocks entfernt von mir auf der Upper West Side in New York City lebte.
Ich rief Julie an. Sie lud mich in ihr Apartment ein, und ein paar Minuten
später stand ich vor ihrer Tür. Julie war gerade von einer Weltreise mit U.G. zurückgekommen und hatte ihn auf der gesamten Reise mit der Videokamera gefilmt. Sie besaß
ungefähr hundert Stunden unbearbeiteter Videobänder. Mehrere Wochen lang ging ich jeden Tag zu Julies Apartment und sah wie hypnotisiert diesem Mann zu, wie er um die Welt
wanderte und mit einer Auswahl der verschiedensten Menschen zusammentraf und Gespräche mit ihnen führte. Kurz danach kam U.G. in die Vereinigten Staaten, und ich flog nach
San Rafael in Kalifornien, um ihn zum ersten Mal zu treffen.
„Warum haben Sie
Ihr Geld verschwendete?“ fragte er mich, als ich ihm zum ersten Mal begegnete. „Ich wollte Sie gerne sehen,“ antworte ich. „Sie werden hier nichts bekommen“,
sagte er mir, und fügte hinzu „Wenn Sie wirklich mitbekommen hätten, was in meinen Büchern steht, dann wären Sie nicht hier.“ Was hätte ich dazu sagen sollen?
Irgend etwas ging hier vor sich, aber es war mit Sicherheit nichts, was ich erklären oder verwenden konnte. Dieser Mann paßte nicht in meinen Bezugsrahmen. Alle Lektionen,
die ich in der Vergangenheit über die Verehrung eines Guru gelernt hatte, konnten mir hier nichts nützen. Und doch war er offensichtlich auch kein gewöhnlicher Mensch.
Wenn man U.G. zum erstenmal trifft, kann man nichts weiter tun, als ihn zu
beobachten. Nach Jahren, die ich in gebeugter Haltung zu Füßen von Da Free John verbracht hatte, war es äußerst wohltuend, mit jemandem zusammenzusein, der offenbar in
einem Zustand war, den ich als ‘erleuchtet’ bezeichnen würde (sagen Sie U.G. nicht, daß ich das gesagt habe) und dabei keinerlei Zeremonien vollführen oder sonstige
Anstrengungen unternehmen zu müssen, um etwas Bestimmtes darzustellen. Ich konnte ganz ich selbst sein, was immer das ist.
U.G. bewegt sich wie eine Katze und vermeidet überflüssige Bewegungen. Wenn
Menschen sich nicht dafür interessieren, was er zu sagen hat, dann ist ihm das recht, denn er glaubt wirklich nicht daran, eine Botschaft zu haben. Die anderen, die jedes
seiner Worte verfolgen, konfrontiert und verwirrt er ständig. Wieder andere (und wahrscheinlich falle ich in diese Kategorie) hören ihm zu und leben ihr Leben einfach
weiter. Ich glaube, daß er mich davor bewahrt hat, noch mehr Jahre mit nutzlosem Suchen zu vergeuden, und ebenso hat er mir meine konzeptuelle Last in einem sehr realen
Sinne erleichtert. Er ist Teil meines Lebens geworden, ohne sich in irgendeiner Weise einzumischen. Das ist für mich sehr interessant, aber es ist äußerst schwierig (andere
werden das bestätigen), dies andern vermitteln zu wollen .
Inzwischen hatte ich Gelegenheit, einige Zeit mit U.G. in New York City,
Kalifornien und Gstaad zu verbringen. Zu jeder Zeit und an jedem Ort war es immer völlig anders und doch auch wieder dasselbe. Ich könnte alle möglichen interessanten
Anekdoten erzählen, aber U.G. schätzt solche ‘Bezeugungen’ nicht sehr.
Die ‘Give Up’ Tonbänder befanden sich schon seit einigen Jahren in
meinem Besitz, bevor ich sie mir schließlich anhörte. Als ich ihnen zuhörte, war ich von diesen Gesprächen gefesselt. Sie erschienen mir als ein Kompositum von U.G.s
fundamentalen Äußerungen. Es ist natürlich etwas anderes, diese ausgedruckten Gespräche zu lesen, als der Stimme zuzuhören, die diesen Sprengsatz hochgehen läßt, aber
das geschriebene Wort besitzt seine eigene Wirkung.
U.G. hält keine Vorträge. Er schreibt keine Bücher. Jedes Wort, das über
ihn geschrieben wurde, stammt von Freunden, denen dies einfach ein Anliegen war. Er gibt wie ein meisterlicher Jazzmusiker die Tonart und das Tempo vor, der Zusammenklang
ändert sich mit den Anwesenden, und er gibt lediglich eine Erwiderung.
In diesen Amsterdamer Gesprächen schafft U.G. eine Struktur, die einen Sinn ergibt – und selbst dann, wenn man ihr nicht ganz folgen kann, ist es doch möglich, immer wieder zu ihr zurückkehren, um dann jedesmal einen neuen ‘Riff’ zu hören, den man zuvor vielleicht überhört hat. Und jedesmal wird man ein bißchen geradliniger. Etwas von der Bürde, die man trägt, wird von einem genommen.
Danke, U.G.